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Leitkultur - Was soll das sein? Ein Weihnachtsbaum?

An vielen Stellen ist wieder davon zu lesen, von der Leitkultur. Laut Friedrich Merz gehört das Kaufen eines Weihnachtsbaumes zur deutschen Leitkultur. Gelegenheit, eine Annäherung zu versuchen.


Das Deutsche ist eine sehr präzise Sprache, daher versuche ich eine Bestimmung über diesen Weg. Doch schon bei der Bestimmung des Begriffs der Kultur wird es herausfordernd. Wir können sie zuerst einmal als Gegenstück zur Natur bezeichnen. Denn sie ist etwas vom Menschen geschaffenes. Damit geht einher, das sie keinen Naturgesetzen unterliegt. Überhaupt ist der Kultur eigen, dass sie interpretierbar, unausgesprochen und schwer zu greifen ist. Ob man Schopenhauers Sichtweise einer Kultur als irrationale und lediglich Vorstellungen und Willensäußerungen entspringenden Welt nimmt, oder Hegels gegensätzlichen objektiven Idealismus. Kultur können wir offenbar bezeichnen, als Summe von Wertvorstellungen und erlernten Verhaltensweisen, die in einem bestimmten Gebiet von den dort lebenden Menschen zum Zwecke des Zusammenlebens geteilt werden. Dabei ist sie jedoch - im Gegensatz zur Natur - in jeder Richtung veränderbar.


Wer sich alleine die Geschichte Deutschlands seit 1900 anschaut, wird schwer widersprechen können. Was als seriös, schicklich und moralisch richtig galt, hat in diesen 123 Jahren mehrere tiefgreifende und radikale Wandlungen erfahren.


Womit ich zum zweiten Teilbegriff kommen möchte. Die Silbe „Leit“ scheint von Leitung, Führung entlehnt. Sie soll folglich Leitplanken und somit Orientierung bieten. Bringen wir beides zusammen, so scheint jedoch unwiderlegbar, dass diese Orientierung jeweils nur für unbestimmte Zeiträume gilt. Denn Kultur wandelt sich.


Dabei gibt es jedoch Wertvorstellungen, die dauerhaft zu überleben scheinen oder die zumindest über sehr lange Zeiträume stabil bleiben. Wobei sich selbst da Facetten ändern. Wie der Mord an einem anderen Menschen beurteilt wird, hat sich über die Zeitalter kaum verändert. Die Stellung von Frau, Mann und Familie dagegen sehr wohl. Selbst die Menschenrechte sind eine jüngere Errungenschaft und auch das nur in Teilen der Welt.


Werfen wir nun einen genaueren Blick auf den Weihnachtsbaum. Urkundlich lässt sich festhalten, dass 1539 im Dom zu Straßburg ein Tannenbaum zu Weihnachten aufgestellt wurde. Wie Menschen so sind, ahmten erste Bürger*innen dies nach und eine Tradition ward geboren. Lettland behauptet jedoch, bereits 1510 habe man dort die Tradition des Weihnachtsbaumes geschaffen. Eine Aussage, die aus Estland sofort für Widerspruch sorgte. Denn dort sei man ja bereits 1441 mit dem ersten Baum beschenkt worden. Das Christentum war in jedem dieser Fälle übrigens bereits anderthalb Jahrtausende alt. Von einer christlichen Tradition zu sprechen, ist also geradezu absurd.


Doch es ist ein schönes Beispiel, wie Kultur g



eprägt wird:


Durch Geschichten, Erzählungen und Einordnungen in Zusammenhänge. Doch ist ein Weihnachtsbaum nun ein Orientierung bietendes Kulturelement? Wofür steht es dann? Im weitesten Sinne offenbar für Familie, Besinnung, Menschlichkeit und die Erinnerung daran, dass Geld nur ein Mittel und nicht Zweck ist. Gerade letzteres erscheint wie ein Paradox. Ist doch das Weihnachtsfest bis zur Unkenntlichkeit von Kommerz durchzogen.


Eine Kultur wäre im eingangs erwähnten Sinne dann einer Leitkultur würdig, wenn sie Regeln zum besseren Zusammenleben zum Ausdruck bringt. Eben dies, dass wir auf unsere Mitmenschen achten. Das wir einander als ebenbürtig und wertvoll anerkennen, unser Leben gegenseitig wertschätzen und uns in unserer Freiheit nur dadurch einschränken, wenn meine Freiheit zur Einschränkung Anderer wird. Wenn wir uns dazu besinnlich und achtsam um einen Baum versammeln, nun gut. Doch eine abgeholzte, dem Sterben gewidmete und mit Plastik geschmückte Tanne zu einem Leitkulturelement zu erheben, erscheint mir absurd.


Übrigens wäre die von mir skizzierte Leitkultur wohl eine, die ich überall auf der Welt gerne erleben möchte. Sie hätte auch für jeden Menschen Vorteile. Denn das es in Deutschland bis in die späten 90er Jahre „Leitkultur“ war, dass der Mann jederzeit Sex in der Ehe gewaltsam durchsetzen konnte, ist für mich schwer damit vereinbar. Übrigens fand Friedrich Merz dieses Kulturelement behaltenswert.

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